Geschichte

Ortsname und Geographie

Die Krummhörn mit der alten Küstenlinie

um 800 n. Chr. (© Wikipedia)

Visquard  ein typisches Rundwarfendorf mit 450 m Durchmesser (Warf(t) = plattdeutsch für Aufschüttung) und eines von 19 Dörfern in der Gemeinde Krummhörn im Landkreis Aurich. Seine Siedlungsgeschichte geht bis in die vorchristliche Zeit zurück.

Der Name Visquard ist über die Jahrhunderte in seiner Schreibweise mehrfach verändert worden. Über die Herkunft sind sich die Sprachwissenschaftler und Historiker nicht einig. Anfang des 9. Jahrhunderts lautet die Schreibweise Wyscwyrt ab 1380 Ficwert und 1620 Fisquard und ab 1719 Visquard in seiner bis heute gültigen Form.

Der Name besteht aus den Teilen Vis und quard. Vis leitet angeblich nicht von Fisch (siehe Wappen), sondern vom altfriesischen wiske (= Wiese) her. Der zweite Namensteil geht auf werth, werder, warden zurück und steht ursprünglich für eine „Geländeerhebung im Feuchtgebiet“, später auch für eine künstlich angelegte Warft oder Wurt. Visquard bedeutet demnach Wiesenwarft oder auch eine in den Wiesen gelegene Warft, was die Luftaufnahmen von 2014 (siehe Unser Dorf oben links) eindrucksvoll bestätigen. Andererseits schrieben Mönche aus dem 12. Jahrhundert, zunächst noch latinisiert, villa Frisgana (Friesendorf), später dann aber das bereits im Jahr 945 gebräuchliche altfriesische Viscu wirda, übersetzt mit: „Warfendorf (wirda), dessen Einwohner vom Fisch (visc) leben“.

Visquard und die Friesische Freiheit

Die Friesische Freiheit (friesisch:Fryske frijheid) ist angebilch ein den Friesen von Karl dem Großen verliehenes Recht, keinen Herrn außer dem Kaiser über sich zu haben. Die friesische Sage berichtet, daß Friesen im im 9. Jahrhundert unerwartet in Italien die Römer für ihren König besiegt haben, der die tapferen Krieger dann vor Begeisterung mit dem höchsten Gut, der Freiheit, belohnte. Eine schöne Geschichte - aber leider nur eine Legende und nicht richtig!

Die moderne Geschichtsforschung schreibt heute Karl III (dem Dicken - der hieß wirklich so) die Verleihung der „Friesischen Freiheit“ zu, verliehen im Jahre 885 anläßlich des Sieges der Friesen über die Wikinger in Schlacht an der Hilgenrieder Bucht im Jahr 884 - aber nicht ohne Hintergedanken! Für diesen stolzen Titel mußten die Friesen ihm die Wikinger und das Wasser, beide von der Nordsee kommend, vom Hals halten. Dafür wurden sie vom Militärdienst auf fremden Territorien freigestellt, um sich auf diese anspruchsvollen Aufgaben konzentrieren zu können. Für den gewöhnlichen Friesen also egal, für wen er seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt und ob er sein Leben für einen Feudalherrn oder einem der Häuptlinge riskiert. 

Die Krummhörn um das Jahr 1600 (© Wikipedia)

Osfriesland unterstand also im keiner zentralen Herrschaft mehr, stattdessen hatten sich bereits im 12. und 13. Jahrhundert die "Freien Friesen“, genossenschaftsähnlich in Landesgemeinden organisiert, in denen "prinzipiell" jedes Mitglied als Eigentümer von Hofstellen und zugehörigem Land in ihren jeweiligen Dörfern gleichberechtigt war. Die öffentlichen Ämter der Richter oder "Redjeven"(lat.consules) wurden durch jährliche Wahlen besetzt. De facto bekleideten also nur die Mitglieder der großen und reichen Familien die öffentlichen Ämter, der "Kleine Mann" hatte keinerlei Vorteile von der "Friesischen Freiheit". Statussymbole für den "friesischen Adel" waren ab dem 13. Jahrhundert die Steinhäuser als Vorläufer der späteren Häuptlingsburgen sowie kleinere Söldnerheere. Der Titel „Häuptling“ (Hoveling) wurde von deren Tägern als Standesbezeichnung verstanden, deren Macht sich vor allem auf ihren Erbbesitz stützte.

Der ohnehin notwendige Bau von Deichen und deren Instandhaltung alle, Männer, Frauen, Kinder, Alte und Kranke - bis auf die Häuptlinge natürlich, die ihr Gesinde diese Schwerstabeit verrichten ließen.

Zumindest nach außen blieb Friesland zumindest frei bzw. unabhängig, nicht jedoch intern.

Gerd Steinwascher, ehemaliger Leiter des Staatsarchivs Oldenburg, meint, dass die "Friesische Freiheit" den Friesen eher nachhaltig geschadet hat und es insofern ein „Mythos“ ist, als "einige wenige reiche Bauernfamilien keinen adligen Herrn über sich dulden mussten, sich aber selbst aufführen konnten wie kleine Adlige".

Seit dem 13. Jahrhundert war auch Visquard ein Häuptlingssitz. Im Gegensatz zu anderen Krummhöerner Orten hatte Visquard nicht nur eine, sondern Zwei zwei Burgstellen, sogenannte Steinhäuser: Eine im Nordwesten, die der Flurbereinigung der 1950er Jahre zum Opfer fiel, die andere im Südosten des Dorfes, die auch heute noch existiert noch erhalten und bewohnt ist.

Die mächtigste Häuptlingsfamilie Cirksena, die praktisch ganz Ostfriesland beherrschte, hatte in dem zu Visquard gehörige Appingen an der damaligen Sielmönker Bucht ihren Sitz. Mit der Verlandung der Sielmönker Bucht verschwand auch der Zugang zum offenen Meer und der Familiensitz wurde an das kurz zuvor errichtete Siel verlegt, wo sie zwischen 1362 und 1388 die Burg Greetsiel als Häuptlingsburg errichtete. Nach dem Tod letzte kinderlose Herrscher aus dem Hause Cirksena in der Nacht vom 25. auf den 26. Mai 1744 vereinnahmte Friedrich der Große noch im gleichen Jahr die Burg und das zugehörige Land. Bereits 1464 hatte Ostfresland durch die Adelung des damaligen ostfriesischen Herrschers zum Reichsgrafen Ulrich I. durch Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Friedrich III. seine Unabhängigkeit vom Reich und damit faktisch seine Freiheit verloren. Nun aber, 1747, verlor die Reichsgrafschaft Ostfriesland endgültig ihre Selbstständigkeit und gehörte fortan zu Preußen, nach dem Wiener Kongress (1815) zum Königreich Hannover, ab 1866 wiederum zu Preußen und seit 1946 zu Niedersachsen.