Meerumschlungen
Mal mehr, mal weniger Meer . . .

Die Geschichte des Hochwasserschutzes und des Deichbaus in Ostfriesland ist eine spannende Reise durch die Zeit, die zeigt, wie sich die Menschen immer wieder gegen die Naturgewalten der Nordsee behauptet haben.

Frühe Anfänge:

Der Hochwasserschutz in den Marschen der Nordsee wurde ursprünglich durch den Bau von erhöhten, aufgeschütteten Warften (bzw, Wurten) betrieben. Seit etwa dem Jahr 1000 n.Chr. hat man damit angefangen, diese Warften durch Deiche miteinander zu verbinden. Seit etwa dem Jahr 1300 war dann der sogenannte "Goldene Ring“ geschlossen.


Entwicklung der Deichpflicht:

Ursprünglich war die Kommunedeichung üblich, d.h. die Gemeinden und Kirchspiele trugen die Last der Deichbaus und ihrer Unterhaltung und Instandsetzung. Später entwickelte sich die "Kabeldeichung“, bei der die einzelnen Grundbesitzer entsprechend ihres Besitzumfangs den Unterhalt für ein bestimmtes Deichpfand zugewiesen erhielten.

Die Krummhörn um 1600

Das "Spatenrecht":

Wenn ein Grundbesitzer nicht mehr in der Lage war, den Deich zu unterhalten, konnte er sein Land aufgeben. Dazu stach er vor der Gemeinde und den Deichrichtern drei Soden aus dem Deich, steckte eine Gabe in den Deich und schwor, dass er nicht in der Lage sei, den Deich zu unterhalten. Damit gab er auch sein Land auf. Derjenige, der den Spaten wieder aus dem Deich zog, erhielt Deichpfand und Hof. Noch gibt es die Redensart: "Well neet will dieken, de mutt wieken!" ("Wer keinen Deich bauen wiil bzw. kann, muß weichen!")

Landverlust und Landgewinnung in der Krummhörn:

In einer Serie von Sturmfluten entstanden zwischen Ems und Jade vom 12. - 16. Jahrhundert vier große Meeresbuchten Dollart, Leybucht, Harlebucht und Jadebusen. Das heutige Gebiet der Gemeinde Krummhörn war durch die Leybucht im Norden, den Dollart im Süden und die Nordsee im Westen zu einer Halbinsel geworden, die in der Anfangszeit noch durch die Bucht von Sielmönken in das nördliche Federgau und das südliche Emsgau geteilt wurde. Die ersten Siedler errichteten hier ihre Häuser auf Warften in der damals noch nicht eingedeichten Marsch. So konnten sie die fruchtbaren Marschböden nutzen und hatten über die Bucht und ihre weit ins Landesinnere reichenden Priele Zugang zum Meer. Die Sielmönker Bucht erreichte von 800 - 950 n. Chr. ihre größte Ausdehnung, verlandete dann aber stark und wurde dann von 1000 n. Chr. bis zum 13 Jahrhundert auch vollständig eingedeicht. Erst mit dem Deichbau wurde eine Besiedelung außerhalb der Warften und ertragreiche landwirtschaftliche Nutzung der Marsch möglich.

Links: Die Krummhörn mit der alten Küstenlinie um 800 n. Chr.

Onno,KarteKrummhoern800nChr,CC BY-SA 3.0

Die damals angelegten Entwässerungsgräben, die so genannten Tiefs, folgen in der Krummhörn weitgehend natürlichen Ablaufrinnen und sind dementsprechend ungerade. Später angelegte Siedlungen in der Marsch zeichnen sich hingegen durch schnurgerade angelegte Tiefs aus.

Das Dorf Appingen, das direkt an der Bucht von Sielmönken und damit am Meer lag, wurde durch die fortschreitende Eindeichung vom Meer getrennt und verarmte. Heute steht an der Stelle ein Hof, genannt nach dem ehemaligen Kloster Appingen, von dem Dorf sind keine Überreste mehr sichtbar.

Die letzten größeren Landverluste in Ostfriesland waren bei der Weihnachtsflut 1825 zu beklagen.


Moderne Techniken:

Deiche können es heute durchaus vertragen, wenn bei Sturmfluten gewisse Wassermengen über sie hinwegschlagen, weil die Deiche heute landseitig mit einer Steigung von ca. 1:3 und seeseitig flacher mit einer Steigung von ca.1:6 errichtet werden. Auch wenn der Meeresspiegel in den nächsten 100 Jahren um weitere 50 - 60 cm steigen würde, wären entsprechende Deicherhöhungen möglich.