Siele und Schöpfwerke

Die Geschichte der Entwässerung Ostfrieslands und der Krummhörn von den Sielen zu den Schöpfwerken reicht bis ins Mittelalter zurück und wurde bis heute perfektioniert.

Die Sieltechnik

Nach dem Bau der ersten Deiche zum Schutz der Küstenbewohner vor der Nordsee um das Jahr 1000 n. Chr. entstand das Problem, dass das Binnenwasser nicht mehr in die Nordsee abfließen konnte. Daher wurden Siele, durch Holztore verschließbare Gewässerdurchlässe, in den Deich gebaut.

Ein Siel funktioniert auf der Grundlage des Wasserdrucks und der Gezeiten. 

Bei Ebbe, wenn der Wasserstand auf der Meerseite niedriger ist, öffnet sich das Siel durch den höheren Druck von der Binnenseite. Dies ermöglicht es dem Binnenwasser, in die Nordsee abzufließen. Kleine Schiffe können auch in die Kanäle hinter dem Deich einfahren, wenn die Tore offen stehen. 

Bei Flut, wenn der Wasserstand auf der Meerseite höher ist, schließt sich das Siel durch den höheren Druck von der Meerseite. Dies verhindert, dass das Seewasser in das Binnenland fließt¹.

Ein Siel ist also ein Ventil zur passiven Entwässerung des vom Deich geschützten vor Hochwasser geschützten Binnenlandes als Teil des Entwässerungssystems.

Das Alte Greetsieler Siel im geöffneten und geschlossenen Zustand.

Entwicklung der Sielorte

Wo ein größerer Entwässerungskanal durch ein Siel abfloss, bildete sich eine tiefe Rinne im Watt. Diese Rinne bot sich als Fahrwasser an und damit war hier der ideale Standort, um einen Sielhafen anzulegen. Für die Durchfahrt der Schiffe baute man ab dem Mittelalter die alten Siele zu tunnelartigen Gewölben aus, die mit Sieltoren versehen wurden. Da die Priele im Wattenmeer auch als Fahrrinnen als Zugang zur Nordsee genutzt werden konnten, entstanden so eine Reihe von Sielorten mit Häfen und Wohlstand entlang der ostfriesischen Küste. Heute sind die Sielorte an der ostfriesischen Küste zusätzlich touristische Attraktionen. Die Sieltechnik wird auch heute noch, wenn es die Wasserstände ermöglichen, angewandt und ist ein wichtiger Teil der ostfriesischen Geschichte.


Die Schöpfwerke

Mit der fortschreitenden Landgewinnung, der natürlichen Verlandung wurde die Funktion der Siele immer problematischer. Aber mit fortschreitender Technik boten sich auch zunehmend Möglichkeiten, das Wasser aus dem Binnenland in die Nordsee zu pumpen. Dazu wurden ab Anfang des 20. Jahrhunderts elektrisch betriebene Schöpfwerke zu bauen, die die Funktion der Siele unterstützen, wenn diese bei Stürmen oder Hochwasser nicht ausreichen. Schöpfwerke haben also die Aufgabe, das Land vor Überflutungen von innen und außen zu schützen, wenn das durch die Siele nicht mehr möglich ist.


Unterhaltung und Betrieb der Schöpfwerke

Der 1. Entwässerungsverband Emden mit dem heutigen Sitz in Pewsum (1. EVE) wurde per Statut des Landes Preußen vom 30.04.1879 gegründet. Anlass war der Bau des Ems-Jade-Kanals von Emden nach Wilhelmshaven und damit verbundene Durchtrennung des damaligen "Emder Pegelverbandes", der bereits 1801 gegründet worden war. Das Verbandsgebiet umfasst heute einen Einzugsbereich von 49.000 Hektar, der sich über die Küstenlinie von Emden bis Greetsiel, weiter bis zur Stadt Aurich und dann entlang des Ems-Jade-Kanals erstreckt. Ein Drittel des Verbandsgebietes liegen unter NN (Normal Null ist in etwa und vereinfacht ausgedrückt der mittlere Meeresspiegel). Aufgrund dieser geographischen Verhältnisse müssen die niedrigsten Pegelstände im Nordwesten Niedersachsens eingehalten werden, und zwar ganz genau: Im Winter 1,40 m unter NN und im Sommer 1,27 m unter NN!

Der 1. EVE muß das meiste Niederschlagswasser über die Schöpfwerkspumpen in die Nordsee pumpen, was mit einem erhöhten Stromverbrauch verbunden ist. So können zum Beispiel an der Knock 50 % des Niederschlagswassers über Sielzüge und 50 % über den Pumpbetrieb abgeführt werden. In Greetsiel muss das Niederschlagswasser zu über 90 % gepumpt werden, nur ein geringer Anteil wird über das alte und das neue Siel abgeführt.

Der Verband ist für den Unterhalt und Betrieb der folgenden 2 Hauptschöpfwerke und 3 Sielbauwerke zuständig

- Schöpfwerk Greetsiel

- Altes Siel Greetsiel

- Neues Siel Greetsiel

- Siel und Schöpfwerk Knock

Hinzu kommen 22 Unterschöpfwerke im Binnenland, die das Niederschlagswasser in die Kanäle pumpen, über die es den Schöpfwerken und Sielen zugeführt wird. 

Einen Sonderfall bildet das Schöpfwerk Emden-Borssum, das 1997 zusammen mit dem Emder Vorflutkanal vom Land Niedersachsen übernommen wurde und anschließend im Zuge einer Sanierung eine moderne Elektroausstattung erhielt. Für den Unterhalt und Betrieb ist der Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), Betriebsstelle Aurich, direkt zuständig.

Das Schöpfwerk Borssum


Das Schöpfwerk Borssum wurde aus mehreren Gründen gebaut. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts wurde die Entwässerungssituation im Gebiet des 1. Entwässerungsverbandes Emden immer schwieriger. Einige der Gründe waren der Verlust der Siele in Emden und Larrelt durch den Bau des Ems-Jade-Kanals, die Bau- und Eindeichungsmaßnahmen an der Larrelt-Wybelsumer Bucht Anfang des 20. Jahrhunderts und dem Emder Hafen sowie dessen Ausbau von 17 Hektar Fläche 1880 auf über 140 Hektar im Jahre 1925.

Das Schöpfwerk Borssum mit dem Borssumer Siel (links).

1926 verpflichtete sich der 1. Entwässerungsverband Emden (1. EVE), Hochwasserabflüsse aus dem Ems-Jade-Kanal, die nicht über den Emder Hafen abgeleitet werden können, über ein Abschlagbauwerk in den Emder Vorflutkanal aufzunehmen und zunächst über das Borssumer Siel und ab 1929 zusätzlich über das neu erbaute Schöpfwerk Borssum in die Ems abzuführen. Abschlagbauwerke wie Vorfluter ermöglichen das Abfließen von Wasser, entweder durch natürliches Gefälle oder durch künstliche Hebung.

Das Schöpfwerk Borssum (Mitte rechts) mit Emsmündung und Dollart.

Der Baubeginn für das Schöpfwerk Borssum war am 15. August 1928 und bereits im November 1929 konnte das Schöpfwerk fertiggestellt werden. Es hat sich seitdem als sehr zuverlässige Anlage erwiesen. Allerdings reichte es in den folgenden Jahrzehnten für die Entwässerung des Verbandsgebiet des 1. EVE und der Abflüsse aus dem Ems-Jade-Kanal nicht mehr aus, so dass in den Jahren 1964 bis 1968 das Siel- und Schöpfwerk Knock gebaut wurde.

1997 wurde das Schöpfwerk Borssum dann zusammen mit dem Emder Vorflutkanal vom Land Niedersachsen übernommen, saniert und 2021/2022 mit einer modernen, digitalisierten Elektroausstattung versehen. Noch heute hat es eine wichtige Entwässerungsfunktion für die Abflüsse aus dem Ems-Jade-Kanal, die weder in den Emder Hafen noch zum Schöpfwerk Knock geführt werden können. Es spielt ebenfalls eine wichtige Rolle für die Entwässerung und dem Küstenschutz in der Gemeinde östlichen Krummhörn, da ihm das Oberflächenwasser über das Alte Greetsieler Sieltief, das Knockster- und das Trechfahrtstief und den Borssumer Kanal, der den Ems-Jade-Kanal in Emden-Wolthusen unterquert, zugeführt wird.

Das Schöpfwerk Borssum hat 3 horizontale Schraubenpumpen mit Heberanordnung, die jeweils von zwei Drehstrommotoren mit einer Leistung von jeweils 350 bzw. 441 kW angetrieben werden. Jede Pumpe kann damit 8 bzw. 12 Kubikmeter Wasser je Sekunde vom Binnenland in den Dollart befördern.

Eigentümer des Schöpfwerks ist das Land Niedersachsen, betrieben wird es vom Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, Betriebsstelle Aurich.

Das Schöpfwerk Greetsiel


Bereits im 15. Jahrhundert wurden unter anderem Siele in Wirdum, Eilsum und Greetsiel, gebaut, die in den Priel, einer Rinne der damals noch wesentlich größeren Leybucht (heute das Alte Greetsieler Sieltief), entwässerten. Das Greetsieler Siel wurde jedoch 1665 durch eine Sturmflut zerstört. Einige Jahre später begann man mit dem Bau eines neuen Siels in Greetsiel. Von 1798 bis 1801 wurde das Holzsieltor im Ortskern von Greetsiel durch ein massives gemauertes Gewölbesiel ersetzt, das heute noch in Betrieb ist.

Das Schöpfwerk Greetsiel und das Neue Siel (rechts).

 Neben der historischen Häuserzeile aus dem 17. Jahrhundert, dem Hafen und den Zwillingsmühlen prägt das Alte Siel heute das historische Ortsbild Greetsiels.

Das neue Greetsieler Sieltor neben dem heutigen Schöpfwerk wurde notwendig, als das alte Siel immer mehr verlandete und ging 1891 in Betrieb. Doch auch dieses Siel verschlickte so stark, dass es schon 66 Jahre später wieder aufgegeben wurde. Die Siele konnten sowohl von von der Land- als auch von der Seeseite nur durch hohe Fließgeschwindigkeiten offen gehalten werden, was durch die natürliche Verlandung trotzdem zu einem immer größer werdenden Problem wurde.

Das Schöpfwerk Greetsiel (oben rechts) und das Alte Greetsieler Sieltief.

Nach dem zweiten Weltkrieg war der Bedarf an mehr Ackerland groß und die Lage der Entwässerung aber schlecht. Der schon vor dem zweiten Weltkrieg immer lauter gewordene Wunsch nach einem Schöpfwerk in Greetsiel sollte nun endlich umgesetzt werden. Als Lösung wurde wurde das Schöpfwerk nach einem Entwurf von 1949 und nur zwei Jahren Bauzeit 1957 fertiggestellt, das nun endlich das Binnenwasser unabhängig von den Gezeiten in die Nordsee leiten konnte. Dafür stehen 3 elektrische Pumpen mit einer Leistung von jeweils 200 KW, die pro Sekunde insgesamt 13.500 Liter Wasser vom Binnenland in die Nordsee fördern können, zur Verfügung.

Das Schöpfwerk in Greetsiel ist wohl der wichtigste Bestandteil des Ersten Entwässerungsverbandes Emden (1. EVE) und der "Deichacht Krummhörn“ für die Entwässerung und landwirtschaftliche Nutzung der Krummhörn.

Es gibt regelmäßige Führungen durch das Schöpfwerk, bei denen Besucher mehr über die Aufgaben und Arbeit des “Erster Entwässerungsverband Emden” und der “Deichacht Krummhörn” erfahren können. Diese Führungen bieten einen Einblick in die Geschichte und Funktion des Schöpfwerks und sind interessant für jeden, der sich für die Geschichte und Technik der Küstenschutzmaßnahmen in Ostfriesland interessiert.

Das Unterschöpfwerk Leybuchtsiel


Das Unterschöpfwerk Leybuchtsiel auf dem Gebiet des seit 1934 besiedelten heutigen Norder Stadtteils Neuwesteel ist ein bedeutendes Sielbauwerk in der Stadt Norden, das 1929 fertiggestellt wurde. Es wurde angelegt, um nach der Eindeichung des 646 Hektar großen Leybuchtpolders im Jahr 1929 das neu gewonnene Land entwässern zu können. 

Die Bedeutung des Leybuchtsiels hat jedoch mit der Fertigstellung des Leysiels im Jahr 1991 abgenommen, weil seitdem das überschüssige Oberflächenwasser nicht mehr direkt in die Leybucht gesielt und gepumpt wird.

Die heutige Leybucht und das schnurgerade Störtebeker Tief (rechts).

Die "Deichnase" Leyhörn mit dem Speichersee.

Die "Deichnase" Leyhörn mit Schleuse und Siel.

Das Unterschöpfwerk Leybuchtsiel und das Norder Tief (links).

Das Wasser des Norder Tiefs fließt stattdessen durch den neu angelegten Störtebekerkanal über mehrere Kilometer und parallel zum Störtebekerdeich nach Greetsiel und von dort durch ein Speicherbecken zum Leysiel.

Das Leybuchtsiel besteht aus einem Schöpfwerk zum Hinauspumpen des Wassers aus dem Binnenland sowie einer Schleuse für kleinere (Sport-)Boote. Es spielte eine wichtige Rolle in der Geschichte der Entwässerungsmaßnahmen in der Leybucht. Mit der fortschreitender Größe des Deichvorlandes in der Leybucht hatte sich der Flutstauraum und damit die Entwässerung über das Siel-Außentief stetig verringert, so daß das Norder Außentief stark verschlickte, was ein ausreichendes Absenken des Binnenwasserstandes durch Sielzüge unmöglich machte. Diese Problematik wurde mit der Anlegung des Leysiels und des Störtebekerkanals innerhalb der alten Leybucht gelöst.

Im Rahmen des Küstenschutzvorhabens "Leybucht“, mit dem die Deichacht Krummhörn und das Land Niedersachsen als Bauträger im Jahre 1985 zwischen Hauen und Pilsum begonnen hatten, entstand vor Greetsiel die Deichnase "Leyhörn“ - mit dem aus einer Schleuse und einem Siel bestehenden Sperrwerk "Leysiel“ an seiner Spitze.

Das kombinierte Siel-, Schleusen- und Sperrwerk Leysiel ist nun vorerst das letzte wassertechnische Bauwerk in der Krummhörn und Umgebung.

Das 30 Meter breite Siel unterstützt die Entwässerungsfunktion der Anlagen in Greetsiel und Leybuchtsiel. Der binnendeichs gelegene 200 Hektar große Speichersee dient sowohl der Aufnahme des durch die Siele abfließenden Wassers als auch als Stauraum, wenn im Falle mehrtägiger Sturmfluten das Binnenwasser über Schöpfwerke hineingepumpt wird. 

Durch die 120 m lange Seeschleuse können 8 Kutter gleichzeitig geschleust werden. Sie sorgt damit auch dafür, dass die im Greetsieler Hafen liegende Fischerei- und Sportboote die Nordsee über die Schifffahrtsrinne und das Speicherbecken unabhängig von Ebbe und Flut die Nordsee erreichen können.

Das Schöpfwerk befindet sich auf dem Gebiet "Rysumer Nacken", einem durch Landgewinnung erschlossenen Gelände  auf dem (neuen) Gebiet der kreisfreien Stadt Emden. Es entstand durch die künstliche Verlagerung des Ems Fahrwassers. Dafür wurde von 1930 bis 1933 der Leitdamm Knock, ein etwa 3,5 km langer Steindamm, errichtet. 

Das Schöpfwerk entwässert ein Gebiet von rund 35.000 Hektar über das Knockster Tief in die Emsmündung. Dieses Gebiet umfasst Teile von Emden und Gebiete nördlich von Emden, einschließlich Teilen der Krummhörn.Das Schöpfwerk wurde 1968/69 errichtet und war damals das größte Siel und Schöpfwerk Europas. Es verfügt über einen 42 Hektar großen Mahlbusen, der als erweiterter Vorfluter in Form eines Sees die Strömung unterbricht bzw. reduziert, Wasser sammelt und vorübergehend speichert.

An der Knock kann die Hälfte des Niederschlagswassers über zwei Siele mit je 11,5 m lichter Breite abgeführt werden. 

Das Schöpfwerk Knock, im Vordergrund "Friedrich der Große."

Der Rysumer Nacken mit dem Schöpfwerk Knock und dem 42 ha großen Mahlbusen im Winter.

Das Schöpfwerk Knock im Winter.

Das Schöpfwerk Knock


Südlich der heutigen Landspitze "Knock“ lag bis etwa 1600 der namensgebende alte Siel- und Fährort Knock, der nach Sturmfluten ausgedeicht wurde und im heutigen Emslauf versunken ist. Sie wird 1286 zum ersten Mal zusammen mit Oterdum jenseits der Ems als Knocka erwähnt. Die Fähre, erstmals erwähnt im Jahr 1467, verband der legendäre Radbodsweg, die in Aurich anfing, mit der sogenannte Stadsweg, der von Oterdum nach Groningen. Heute befindet sich dort auf dem Gebiet der kreisfreien Stadt Emden, im Stadtteil Wybelsum das kombinierte Siel und Schöpfwerk Knock.

Für die übrige Wassermenge stehen vier Kreiselpumpen mit einer Förderleistung von jeweils 15.000 Liter pro Sekunde zur Verfügung. Diese Pumpen werden eingesetzt, wenn der Wasserstand im Binnenland höher ist als im Meer, also bei Hochwasser oder Sturmfluten.